Ich engagiere mich ehrenamtlich in dem Verein GFPS, der momentan die soziale Plattform Swabr ausprobiert. Swabr ist eine Mischung aus Facebook und Twitter und dient primär der internen Kommunikation. Im Zuge der Einführung kamen einige Fragen und Argumente auf, die so sicherlich auch in anderen Vereinen/Unternehmen auftreten. Ich möchte an dieser Stelle auf die einzelnen Punkte eingehen, damit andere GFPS-Vereinsmitglieder aber auch Leser von anderen Vereinen/Unternehmen sehen, warum ich für ein soziales Netzwerk in der internen Kommunikation bin.
1. Unser Intranet hat auch ein Forum, die Möglichkeit Profile anzulegen und Mails zu schreiben, weshalb brauchen wir eine soziale Kommunikationsplattform?
Dies ist grundsätzlich richtig. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass das Intranet primär zum Wissensmanagement genutzt wird und nicht als Kommunikationsplattform. Der Grund ist die Usability des Intranets. Für das Wissensmanagemnt ist das Intranet super. Wer Facebook oder Twitter gewöhnt ist, nutzt jedoch nicht das interne Forum, da es alleine in der Kommunikationslandschaft steht. Die Perspektive des Nutzers ist ungefähr die Folgende: Warum soll ich den 1er Golf nutzen, wenn ich auch den 6er haben kann? Die quantitativ geringe Anzahl der Nachrichten von GFPS-Mitgliedern im internen Forum im Vergleich zu den vielen Nachrichten auf Facebook in den einzelnen GFPS-Gruppen zeigt eindrucksvoll, welches Auto lieber gefahren wird. Dies wird auch auf eine soziale Kommunikationsplattform zutreffen. Die Plattform, die mehr Funktionalität bietet und leichter mit anderen Kommunikationskanälen verbunden werden kann, setzt sich in der alltäglichen Nutzung durch. Dies bedeutet nicht, dass das interne Forum technisch schlecht sei, sondern nur nicht in die Kommunikationslandschaft von den aktiven Mitgliedern integriert wird.
2. Der Datenschutz kann auf dieser Plattform nicht gewährleistet werden.
Soziale Plattformen wie Swabr, Zyncro oder Bitrix basieren häufig auf ein Cloudsystem. Da wir als Verein keine Kontrolle über die Cloud haben, in der unsere Kommunikation gespeichert wird, ist der Datenschutz problematischer. Dies ist ein grundsätzliches Problem von Clouds. In unserem Fall ist dieser Punkt jedoch nicht so relevant, da über Swabr primär kommuniziert werden soll und potenziell heikle Daten weiter ausschließlich im Intranet gespeichert werden. Der Punkt zeigt ein grundsätzliches Problem: Wissensmanagement wird häufig in ein Topf mit Kommunikationsmanagement gesteckt und Prozessdokumentation überhaupt nicht betrieben, was zu vielen Missverständnissen führt. Folgende Grafik zeigt die primären Bereiche, die für unseren Verein wichtig sind und wie diese bisher und zukünftig bearbeitet werden:
Die wesentlichen Änderungen sind demnach, dass die Prozessdokumentation und die interne Kommunikation auf eine Web 2.0 Logik umgestellt wird. Swabr dient nicht dem Datenmanagement und auch nicht der Dokumentation, sondern der effektiveren internen Kommunikation. (Kurze Anmerkung: grundsätzlich wäre es besser, alle drei Bereiche auf einer Plattform laufen zu lassen, was bei unserem Verein jedoch nicht gewollt ist)
3. Mailinglisten können doch auch alles, was ein soziales Intranet anbietet.
Auf dem ersten Blick trifft dies bei der Funktionalität zu aber nicht bei der Nutzerfreundlichkeit. Auf den zweiten Blick trifft dies jedoch nicht einmal auf die Funktionalität zu.
Schauen wir uns zunächst den ersten Blick an: Sowohl mit Thunderbird/Outlook als auch mit einem sozialen Netzwerk lassen sich Mailinglisten/Netzwerke anlegen, Nachrichten nach Stichworten durchsuchen usw. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass Mailprogramme in der Bedienung mehr Zeit erfordern. Angenommen ein Vereinsmitglied bekommt täglich 18 Nachrichten aus dem Verein. Bei jeder Mail gibt es folgende Arbeitsschritte:
Danach widmet man sich der nächsten Mail. Bei Facebook oder Swabr hat man im Gegensatz zu Thunderbird/Outlook einen Newsfeed. Dies bedeutet, die Nutzerin klickt NICHT auf die Nachricht, sondern sieht sie sofort. Bei einer Antwort wird NICHT auf Antwort geklickt, sondern schreibt sie direkt darunter. Außerdem wird die Nachricht NICHT eingeordnet oder gelöscht, sondern mit dem Mausrad einfach im Newsfeed weiter nach unten gescrollt. Grafisch sieht dies also so aus:
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Nutzerin je Nachricht bei Swabr mind. 10 Sekunden spart. Dies macht bei 18 Nachrichten je Tag 3 Minuten, was bei 365 Tagen im Jahr gut 18 Stunden Zeitersparnis sind. Diese Ersparnis hat man natürlich nur, wenn man die einzelnen Nachrichten sich nicht noch zusätzlich per Mail schicken lässt.
Kommen wir zum zweiten Blick: Ein soziales Intranet wie Swabr ermöglicht zusätzliche Optionen sowie eine transparente Kommunikation, was bei richtiger Anwendung zusätzliche positive Folgeeffekte hat. Zusätzliche Optionen sind, dass bei einer Diskussion in einer Gruppe leicht weitere Mitglieder zur Diskussion hinzugefügt werden können, indem einfach @Name des Mitglieds auf der Plattform im Text geschrieben wird. Außerdem können durch Hashtags (#) bestimmte Themen markiert werden, wodurch verschiedene Diskussionsfäden zusammengehalten werden und später leichter auffindbar sind. Bezüglich der Transparenz verweise ich auf eine weitere Frage:
4. Was ich nur Dir schreibe, interessiert doch die Anderen nicht. Weshalb sollte ich dies öffentlich tun?
Stimmt wieder nur auf dem ersten Blick. Bei Facebook liest man auch nicht alle Meldungen im Newsfeed genau durch. Mittlerweile haben wir uns angewöhnt den Newsfeed so zu scannen, dass wir nur für uns interessante Sachen lesen. Wenn ich nun eine Nachricht an Mitglieder schicke, dann markiere ich die Mitglieder durch ein @, die die Nachricht unbedingt sehen müssen. Alle anderen Mitglieder der Gruppe können diese Nachricht lesen, müssen es aber nicht. Dieses Vorgehen hat langfristig folgende großen Vorteile:
- Bisher nicht involvierte Mitglieder können animiert werden, sich in Projekte einzubringen, indem sie sich in Diskussionen einschalten, weil sie das Projekt spannend finden oder weil sie Informationen besitzen, die für die aktuell Involvierten hilfreich sein könnten.
- Zentrale Koordinierungsinstanzen (bei GFPS der Vorstand) können leichter sehen, welcher Finger des Vereins was macht. Dies erleichtert massiv den Koordinationsaufwand und den Kommunikationsbedarf aller Mitglieder.
- Alte Diskussionen können von neuen Mitgliedern oder einem neuen Vorstand viel leichter nachvollzogen werden, da diese Diskussionen einsehbar sind. Dadurch erfolgt eine schnellere Eingewöhnung.
- Durch Liken kann Zustimmung erfolgen. Bei einer Bejahung von etwas bedeutet dies einen Klick, um Gegensatz zu einer ganzen Mail. Dies sind sogar noch mehr als 10 Sekunden Zeitersparnis. 😉 Durch Liken können weiterhin sehr leicht Stimmungsbilder für Vorschläge eingeholt werden. Es sind nicht mehr XY Mails nötig mit Zustimmung, sondern nur noch Klicks. Dies ist das gleiche Phänomen wie bei Doodle. Terminabsprachen erfolgen durch Doodle viel effektiver als per Mail, weshalb die Mailanzahl dadurch massiv sinkt.
- Es gibt noch andere Sachen, die zu gegebener Stunde mal ergänzt werden.
5. Der Anbieter könnte irgendwann seinen Dienst einstellen, wodurch dann alle Daten weg wären.
Dieser Einwand stimmt, denn dies kann immer passieren. Dennoch ist es ein Scheinargument, denn wie sieht es denn bisher aus? E-Mails liegen auf die privaten Rechner intransparent vor. Verlässt ein aktives Mitglied den Verein oder wird inaktiv, weil der Student anfängt Vollzeit zu arbeiten, dann gehen diese Daten bisher sowieso verloren. Wichtig ist zu beachten, was ich schon bei Punkt 2 schrieb. Daten aus dem Wissensmanagement müssen in das interne Intranet. Daten aus der Kommunikation in der täglichen Zusammenarbeit sollen raus aus Outlook/Thunderbird bzw. den privaten Computern, um sie für alle nutzbar bei Swabr zu speichern.
Abschließend noch ein grundsätzliches Problem von Vereinen und kleineren NGOs/Unternehmen:
In diesen Organisationen gibt es häufig ein bis zwei Leute, die sich um die Technik – also ums Intranet, Mailinglisten und dem Webauftritt – kümmern. Auch wenn es hart für die Betreuer & Programmierer der klassischen Intranete ist, sie müssen einsehen, dass sie als Allrounder nicht mit den Spezialisten von DropBox, Facebook, Yammer, Jive, Twitter usw. mithalten können. Gerade in Vereinen wird die Arbeit primär ehrenamtlich geleistet, weshalb die Allrounder den Mitgliedern eine Grundversorgung bereitstellen, die häufig auf Content-Management-Systemen basieren. Diese haben den großen Nachteil, dass sie nur schwer auf die individuellen Bedürfnisse anpassbar sind und die Nutzerfreundlichkeit eher bescheiden ist. Das CMS des GFPS-Intranets ist ganz gut anpassbar. Die Einstellungen der Technik machen bestimmte Nutzungsweisen mehr wahrscheinlich. Ein Beispiel bei uns ist, dass man im Intranet Bilder nur einzeln hochladen kann. Zur Dokumentation der besten Fotos von Veranstaltungen ist dies sicherlich ausreichend, was auch ein primärer Sinn des Intranets ist. Die Beschränkung erhöht die Wahrscheinlichkeit einer guten Beschriftung, verhindert jedoch den Austausch von mehreren Bildern, weshalb lieber effektivere Sachen wie DropBox genutzt werden. Sicherlich ist dieser Punkt in unserem Intranet änderbar, aber ist es sinnvoll dies zu ändern? Es erfordert Aufwand der Techniker, würde den Sinn hinterm Intranet verändern und steht in Form anderer Anwendungen eh bereit.
Im Laufe des Tests von Swabr durch GFPS wird es sicherlich weitere Fragen und Einwände geben, die ich dann eventuell auch auf diesem Blog thematisieren werde. Ich bin sehr gespannt, wie sich der Test entwickeln wird und ich hoffe, dass unsere Vereinsmitglieder sich auf die neue Plattform einlassen und versuchen, diese zu nutzen.
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