Im Netz wird momentan eifrig darüber diskutiert, ob E-Mails eine Brückentechnologie sind. Herr Wolf zählt 7 Argumente auf, warum Social Media die E-Mail nicht ablösen wird. Schaeferblick argumentiert genau in die andere Richtung und gibt 7 Handlungsempfehlungen, wie die E-Mailkommunikation zu reduzieren ist.
Zwei Punkte erscheinen mir wichtig, die wenig beachtet werden: a) Unterscheidung zwischen interner und externer Kommunikation b) Effizienz der Kommunikation
a) Herr Wolfs sieben Argumente treffen primär auf die Kommunikation mit externen Akteuren zu, jedoch nicht auf die Kommunikation innerhalb einer Organisation. Schauen wir uns die Argumente genauer aus der Perspektive der internen Kommunikation an:
- Durch viele Plattformen gibt es immer mehr Benachrichtigungen, wenn etwas auf einer Plattform passiert: Große Organisationen führen momentan Soziale Plattformen ein, die alle Web 2.0 Anwendungen auf einer Plattform vereinigen, weshalb die Benachrichtigungen überflüssig werden, da die Mitarbeiter eh ständig im Intranet arbeiten.
- Rechtssicherheit von eMails: Innerhalb einer Organisation sollte es möglich sein, Standards zu entwickeln, die auch über andere Kanäle Rechtssicherheit garantieren. Zu Fragen ist auch, wie häufig bei Kommunikation Rechtssicherheit benötigt wird.
- Kontaktaufnahme erfolgt primär über E-Mail: Dies ist nicht verwunderlich, da E-Mail etabliert ist. Dies bedeutet aber nicht, dass dies der primäre Kanal zur Kontaktaufnahme bleiben muss. Mir wird immer wieder berichtet, dass gerade die Kontaktaufnahme über andere Kanäle effektiver ist, da viele Mitarbeiter in E-Mails ertrinken.
- Funktionalität von Mail-Programmen: Sicher Outlook hat eine umfangreiche Funktionalität, aber wieso soll diese nicht in Social-Media-Plattformen abbildbar sein? Außerdem bedeuten E-Mails auch eine enorme Einschränkung. Ich würde mir z.B. wünschen bei E-Mails zu sehen, ob der Sender gerade ansprechbar ist, damit ich diesen bei Unklarheiten anchatten oder anrufen kann.
- Digital Natives schreiben auch Emails: Stimmt, aber nur an externen Akteuren. Dies ist wie bei Briefen. Es gibt bestimmte Anlässe, da sind Briefe der beste Kommunikationskanal zu bestimmten Akteuren. Dies ist auch bei E-Mails so und wird auch so bleiben.
- Wir kennen aktuell nichts Besseres: Jaein, wenn man klassisch miteinander arbeiten, dann stimmt dies. Wenn man jedoch andere Kommunikationsformen berücksichtigt, dann stimmt dies nicht. Dazu gleich mehr im zweiten Punkt.
- “Und” statt “oder”: Super Überschrift, aber die Begründung passt nicht. E-Mail sei ein sehr effizientes 1 zu 1 Kommunikationsinstrument aber in der Zusammenarbeit in größeren Gruppen problematisch. Ich dagegen glaube:
b) E-Mail ist das ineffizienteste 1 zu 1 Kommunikationsinstrument überhaupt
Die E-Mail hat große Vorteile, da sie eine orts– und raumunabhängige Kommunikation erlaubt. Sender und Empfänger der Information müssen also sich nicht am gleichen Ort sein und zur selben Zeit kommunizieren. Schaut man jedoch darauf, wie effektiv die Information vom Sender zum Empfänger übermittelt wird, dann bekomme ich schnell Zweifel an der Sinnhaftigkeit von E-Mails. Häufig kommt es zu Missverständnissen, Streitereien und Problemen, was leicht in einer längeren Diskussion via Mail ausartet. In meiner Forschung beklagten sich fast alle Interviewteilnehmer über dieses Phänomen. Interessant dabei ist, obwohl allen klar ist, dass ein kurzer Anruf oft deutlich effektiver ist, etwas zu klären, als eine längere E-Maildiskussion, wird dennoch primär gemailt.
Dies führt zu absurden Situationen wie folgender: Ein Mitarbeiter, der in mehreren Projekten arbeitete, berichtete mir von einem Projekt, bei dem er über einen längeren Zeitraum ca. 130 E-Mails pro Tag bekam. Seine Taktik war dann: „30 E-Mails beantworte ich, den Rest lösche ich und wichtige E-Mails kommen noch einmal“. Das diese Art der Kommunikation nicht effektiv sein kann, sollte einleuchtend sein.
Fazit:
Herr Wolfs Argumente treffen primär auf die externe Kommunikation zu. Aufgrund der Ineffizienz des eigentlichen Kommunikationsaktes verliert meiner Meinung nach E-Mail jedoch an Bedeutung. Dies wird zunächst auf den internen Bereich von Organisationen zutreffen, weil dort die Art und Weise der Kommunikation leichter umfassend beeinflusst werden kann. Wenn innerhalb einer Organisation z.B. eine funktionsreiche Social-Media Plattform eingerichtet wird, dann schränkt dies den internen E-Mail Verkehr stark ein. Dennoch wird die E-Mail nicht sterben. Gerade in der externen Kommunikation erfüllt sie ähnlich wie der Brief weiter ihren Sinn.
November 20, 2012 um 16:20 Uhr
Die E-Mail Diskussion hatten wir heute am CIO Kongress auch.
Bei der ganzen Tool-Diskussion ist es aus meiner Sicht der wesentliche Aspekt, dass Unternehmen begreifen, so viel wie möglich an Information für alle Mitarbeiter abrufbar zu halten (zB durch interne Suche). Das geht bei Information, welche über Social Media geteilt wird — jedoch nicht bei E-Mail. Eine über E-Mail übertragene Information gilt allgemein als verloren, da es nur für den Sender und den Empfäger darauf einen Zugriff gilt, nicht jedoch für alle potentiell interessierten. Somit wird das Rad immer wieder neu erfunden…
Daher ist es wichtig, die Transparenz über Informationen im Unternehmen zu erhöhen, um MA einen Zugriff darauf zu gewährleisten — und das geht sicher nicht mit Email.
LG
Alexander
November 21, 2012 um 13:20 Uhr
Hi Alexander,
vielen Dank für den Kommentar. Dein Punkt ist neben der Ineffizienz der E-Mailkommunikation der zweite wesentliche Nachteil von E-Mails. Die Frage ist, wie E-Mails mit der Zeit immer weiter verringert werden können? Dies geht mMn nur, wenn zum einen alternative Möglichkeiten geschaffen werden und zum anderen klar vorgegeben wird, dass für die interne Kommunikation E-Mails nicht mehr genutzt werden. Sollte dies nicht erfolgen, werden Mitarbeiter in ihren gewohnten Handlungsroutinen verbleiben und weiter fleißig E-Mails schreiben.
LG
René
November 22, 2012 um 21:31 Uhr
Im Zuge meiner Master These zu “Erfolgsfaktoren des Wissenstransfers und der Wissenssicherung” wurde auch das Thema E-Mail empirisch untersucht. Das Ergebnis war, dass 70 Prozent der Befragten die E-Mail als wichtiges Kommunikationsinstrument in ihrem Unternehmen ansahen.
Die Media Richness Theorie betrachtet die E-Mail als Instrument mit niedriger Informationsreichhaltigkeit, im Gegensatz zu formellen Treffen oder Telefongespräche. Das begründet auch die Ineffizienz dieses Mediums. Durch eine E-Mail lassen sich komplexe Sachverhalte sehr schwer kommunizieren.
Es darf aber in dieser Diskussion nicht außer Acht gelassen werden, dass die E-Mail ein sehr effizientes Dokumentationsinstrument ist. Das heißt, etwas Geschriebenes lässt sich später leicht nachvollziehen. Das begründet in vielen Fällen das Schreiben einer E-Mail. Daher glaube ich, dass dieses Medium die nächsten Jahre noch überdauern wird.
Aus meiner subjektiven Sicht kommunizieren “Digital Natives” hauptsächlich via SMS und Facebook, — weniger via Telefon, kaum via E-Mail. Welche Auswirkungen dies auf das Kommunikationsverhalten der Zukunft hat, wird eine spannende Sache.
November 28, 2012 um 19:01 Uhr
Hi Alfred, vielen Dank für den spannenden Kommentar. Eine kleine Ergänzung würde ich gerne machen. E-Mail ist zwar ein gutes Dokumentationsinstrument, aber es ist, wie auch Alexander schon schrieb, nur vom Nutzer durchsuchbar. Man könnte es private Dokumentation nennen. Eine spannende Frage wäre deshalb, wie schafft man es in Unternehmen, mehr schriftliche Interaktionen öffentlich zu führen, damit der Inhalt durchsuchbar ist.
November 22, 2012 um 22:06 Uhr
Man sollte nicht vergessen, dass Plattformen wie Facebook aber auch Yammer nur durch E-mail erfolgreich wurden.
Diese Plattformen verwenden E-Mails höchst intelligent als Trigger: ist man eine Zeit lang nicht mehr aktiv, wird man per E-Mail auf Neuigkeiten oder Freunde hingewiesen um wieder in die Plattform zu gehen. Bei (fast) jeder Aktivität bekommt man eine E-Mail.
E-Mail wird also auch in Zukunft eine Funktion aus Verbindlichkeit und Trigger haben. Bestmöglichst schickt aber der Projektleiter eben nicht mehr das Word File als Anhang per E-Mail, sondern stellt es in eine dafür definierte Projektplattform und der Kollege wird per E-Mail darauf hingewiesen.
Selbst die bei vielen sozialen Netzwerken angebotenen Direktnachrichten werden derzeit nicht als verbindlich angenommen. Oft werden diese übersehen. Zudem ist die Masse an Plattformen problematisch — welche Plattform liest der Empfänger regelmäßig?
Solange eine andere Kommunikation intern wie extern diese Funktion nicht übernimmt, wird E-Mail weiter existieren und nicht abgelöst.
November 28, 2012 um 19:05 Uhr
Volker, dies sehe ich genauso. Eine andere Anwendung, muss E-Mail, als Basisanwendung verdrängen. Wenn dies nicht geschieht, wird E-Mail fröhlich weiter leben. Deshalb unterschied ich auch zwischen interne und externe Kommunikation, weil ich für die interne Kommunikation durchaus die Chance sehe, dass sich eine andere Basisanwendung etablieren kann.
November 28, 2012 um 19:58 Uhr
Geschäftlich um mit Firmen/Geschäftspartnern in Kontakt zu stehen –> Email
Privat mit Freunden und Bekannten in Kontakt zu stehen –> Instant Messaging
Aus der Praxis: Vor kurzem wollte ich einem Freund, der unter 25 Jahre ist und übrigens noch nie von Enterprise 2.0 oder dessen Diskussionen gehört hat, ein paar Dateien per E-Mail schicken. Die Antwort war eindeutig – schick mir diese doch bitte bei Facebook, da habe ich dann die ganze Historie.
Seit Ewigkeiten habe ich persönlich keine E-Mail an Freunde und Bekannte geschrieben. Geschäftlich sieht es anders aus, weil es bisher keine Lösung gibt beides zu vereinbaren bzw. auch kein Angebot besteht über andere Kommunikationswege mit Firmen in Kontakt zu treten. Die ältere Generation hat noch zu viel Einfluss und wägt die Vor– und Nachteile nicht sorgfältig gegeneinander ab bzw. versteht diese auch nicht, sondern sieht nur die Nachteile. Das wird sich auch nicht so schnell ändern, weil man durch bloße Theorie die Sache nicht verstehen wird.
November 28, 2012 um 20:00 Uhr
P.S. Eine Service-Hotline über Whatsapp wäre mal einfallsreich 😀 Kommt natürlich auf Branche, Zielgruppe etc. an und ist momentan wohl auch nicht sicher genug. Aber die Idee gefällt mir 😉