Durch das Internet steigt die Vernetzung von Individuen, Computern und Daten stark an. Was bedeutet dies für die Gesellschaft? Häufige Antworten der Web-Enthusiasten sind, es stehen unzählige Informationen im Netz zur Verfügung; zahlreiche Kontakte können gepflegt und Informationen schneller und umfangreicher ausgetauscht werden, eine größere Transparenz ist möglich und eine neue Form von Mitbestimmung bzw. Zusammenarbeit entsteht.
Die Probleme die durch die technische Entwicklung um das Internet entstehen, sind mittlerweile auch klar sichtbar. Spezifische Informationen im Internet sind nur schwer zu finden, Wissensmanagement klappt nur selten. Die Offenheit des Internets nimmt ab. Jeder Einzelne erhält per E-Mail, Facebook, Twitter usw. so viele Informationen, dass er sie gar nicht verarbeiten kann und ein Gefühl der Überforderung entsteht. Außerdem stehen Informationsschaffende, wie ich es hier mit diesem Blog auch bin, vor dem Problem, potenzielle Leser zu erreichen. Mittlerweile widmet sich eine ganze Industrie dieser Frage, die Tipps oder sogar Programme zur Blog oder Webseitenoptimierung, zur Content-Generierung, zur Erstellung von Newslettern usw. anbietet.
Meines Erachtens wird oft bei den ganzen Vorschlägen übersehen, welches Problem eigentlich die Optimierungen und Hilfsprogramme beheben soll.
Für mich ist das zentrale Problem die Filterung von Informationen, die wir einerseits ins Netz stellen und anderseits aus dem Netz ziehen. Die Unterscheidung zwischen Sender und Empfänger von Informationen hilft das Problem zu konkretisieren:
Der Sender von Informationen steht immer vor dem Problem, was er ins Internet stellt und wie er es macht (Design, Verteilung, Provokation…). Dies entscheidet, ob die Informationen überhaupt wahrgenommen werden (z.B. über das Google-Ranking) und wie darauf reagiert wird. Der Empfänger steht vor dem gleichen Problem, aber auf der anderen Seite der Medaille. Er will nicht möglichst viele Informationen senden, sondern nur die Information möglichst schnell erhalten, die für ihn eine Relevanz haben.
Dies bedeutet, Anwendungen im Internet oder Unternehmen sind nur dann effektiv, wenn sie dieses Problem bearbeiten. Zum Beispiel hat die Anwendung direktzu für Angela Merkel nur deshalb einen Mehrwert, weil es aus zahlreichen Fragen von Bürgern über ein Abstimmungssystem die Fragen herausfiltert, die für die meisten Bürger relevant sind. Die Anwendung zeigt somit dem Kanzleramt Relevanz an. Es wird klar, welche Frage/Information von einem Entscheidungsträger beachtet werden sollte. Diese Anwendung, aber auch andere wie Swabr, Yammer oder Doodle helfen auch in Unternehmen, Informationen zu generieren, ins Intranet zu stellen und an die richtige Stelle zu bringen.
Damit mein Punkt noch deutlicher wird, möchte ich ein problematisches Beispiel veranschaulichen: CEO Blogs
Das zentrale Ziel von solchen Blogs ist, einen Dialog zwischen Chefetage und Mitarbeitern zu ermöglichen. Dieses Ziel ist ehrbar und bringt ein paar positve Effekte, wie z.B. die Vorbildfunktion des CEO bzgl. Web 2.0-Anwendungen. Die stützt den kulturellen Wandel des Unternehmens zu einem Enterprise 2.0 Unternehmen. Das Problem ist jedoch, dass ein Blog nur dann wirklich erfolgreich ist, wenn er stark genutzt wird. Eine intensive Nutzung verträgt sich aber gewöhlich nicht mit den Zeitressourcen des CEO. Die Fragen/Anregungen/Informationen der Mitarbeiter überschwemmen ihn. Die Mitarbeiter erwarten auch noch alle eine individuelle Antwort. Dies hat zur Folge, dass über kurz oder lang der CEO die Betreuung des Blogs an seinen Stab delegiert, was dem zentralen Ziel vom CEO-Blog widerspricht.
Auf den Punkt gebracht: Ein CEO-Blog beinhaltet keine Filterfunktion, weshalb ein CEO von der Informationsflut im Blog überfordert wird und der Blog deshalb mittelfristig nicht mehr seinen Sinn erfüllt.
Das Problem der Filterung betrifft nicht nur CEO, sondern uns alle. Facebook hat dies auch erkannt, weshalb sie ebenfalls vor kurzem einen Nachrichtenfilter einbauten.
Januar 23, 2013 um 12:57 Uhr
Die Informationsflut nimmt zu, das stimmt. Sie ist aber nicht nur auf Grund von vermehrten Web2.0 Anwendungen und Anwendern vorhanden, sondern auch im Bereich des eMail Verkehrs. Die französische Firma Atos plant bereits den Ausstieg aus der eMail Kommunikation und möchte sie durch ein internes Social Network ersetzen. Sie wird damit sicherlich nicht die letzte gewesen sein. Der cc-Wahn grassiert immer stärker, Kurse für Selbstorganisation raten bereits seit einiger Zeit dazu, die Mailer-Clients nur noch 3 — 4 Mal am Tag zu fixen Zeiten anzuwerfen und darin aktiv zu arbeiten. Es ist höchstwahrscheinlich wirklich eine Frage der Organisation, wie man dieser Sache Herr wird. Der Spruch “It’s not information overflow, it’s filter failure” ist jedenfalls auch schon gut 10 Jahre alt 😉
Januar 23, 2013 um 13:18 Uhr
Hi Carsten, super Spruch, den kannte ich noch nicht! Stimmt, das Problem trifft nicht nur auf dem Bereich von Web 2.0 zu. Letztlich können alle Anwendungen darauf geprüft werden. Die ganzen Such– und Vergleichs– und Bertungsseiten sind ja Antworten auf das Filterproblem.
Januar 23, 2013 um 13:56 Uhr
Hallo Rene,
ich denke es ist eine Mischung aus vielen Faktoren. Natürlich hat man heutzutage viel mehr Informationen aus noch mehr Quellen als noch vor einigen Jahren. Doch gerade die Tatsache, dass Unternehmen effizienter werden müssen/wollen und immer mehr auf internationaler Ebene agieren, macht es schon intern mit der Kommunikation sehr schwer. Dann noch das “E-Mail-Problem” on top und man hat genug Beweggründe, warum sich Unternehmen mit solchen Enterprise 2.0-Lösungen geschäftigen müssen. Das Atos mittelfristig das Ziel zero Mail durch bekommt wage ich noch zu bezweifeln. Aber den Weg werden sie nicht als letzte gegangen sein. Was aber auch wieder zu einem anderen Problem führt. Der ich sage mal unsachgemäßen Nutzung von E-Mails. Man könnte sich mit Sicherheit viele viele Mails sparen, wenn bewusster und besser nachgedacht mit dem Tool umgegangen werden würde. Aber mit Sicherheit machen alle Tools nur dann Sinn, wenn ich sie als Nutzer so anpassen kann, dass sie mir einen Vorteil bzw. einen guten Überblick bieten.
Hier übrigens der Link zu meinem Post bzgl. atos http://bit.ly/Uy4RU9
Gruß,
Andreas
Januar 24, 2013 um 12:03 Uhr
Hi Andreas,
zur E-Mailproblematik habe ich hier: ow.ly/1QV3Mj und hier: p.ost.im/p/dSmddY auch befasst. Ich stimme deinen Ausführungen hier und auf dem Blog vollkommen zu, dennoch würde ich meine These gerne auf dein Beispiel zuspitzen: Enterprise 2.0 Anwendungen werden erst dann E-Mails teilweise ersetzen, wenn sie das Filterproblem besser lösen.
Die E-Mail an sich und die Programme mit denen man E-Mails organisiert versuchen doch auch letztlich mit den Informationen umzugehen, also zu filter bzw. zu selektieren. E-Mails sind sehr gut, um bestimmten Leuten Informationen zukommen zu lassen. Es ist also ein gutes Tool für Sender von Informationen. Für Empfänger von E-Mails/Informationen sieht die Sache jedoch anders aus.
1. sie bekommen viele Informationen, die redundant sind, sie ablenken oder gar keine Informationen sind, da der Inhalt der Mail schon bekannt ist.
2. genau wie Du es beschrieben hast, gibt es momentan ein Druck, alle E-Mails wahrzunehmen und damit auch zu beantworten. Ich nutze einen Ordner in Thunderbird sogar als ToDo-Liste. Also E-Mails erinnern mich, was ich noch machen muss.
3. E-Mails sind für Kommunikation ein ziemlich schlechtes Tool, da z.B. per Telefon in viel kürzerer Zeit Probleme, Fragen usw. bearbeitet werden können.
Zusätzlich ist das Wissen in E-Mails für andere in der Organisation nicht einsehbar.
Wenn ich über alle Punkte nachdenke, dann komme ich am Ende immer zu dem Schluss, es geht um ein Filterungs/Selektionsproblem, weshalb ich schlussfolgere, dass Enterprise 2.0 sich nur dann gegen E-Mails ganz oder teilweise durchsetzt, wenn es dieses Problem besser bearbeitet. Ich bin da ganz optimistisch, da ich schon einige gute Ansätze sehe!
Grüße
René